Montag, 28. Juli 2008

Gehegeerweiterung für den Schmetterling

Mittlerweile wurden mir Wissenlücken zum Schmetterling gefüllt!

So galten Falter, und Schmetterlinge, ganz entgegen ihrer heute positiven Symbolkraft, während des Mittelalters wohl als negativ. Als Hexen und Teufel, welche für Krankheiten und verdorbene Milch verantwortlich waren, und Butter aus Vorratskammern stahlen.

Die negative Bezeichnung als Ling scheint mir damit hinreichend begründet.
Ist das Rätsel, weshalb heißt der Schmetterling Schmetterling damit wohl gelöst??

Freitag, 25. Juli 2008

Schmetterling

Sie sehen: Den Schmetterling

Warum heißt der "Schmetterling" Schmetterling?, lautet eine beliebte Kinderfrage, die logisch nur nachvollziehbar ist. Im Gegensatz zum Hund, zur Katze, zur Maus und zum Pferd weist die Bezeichnung "Schmetterling" nämlich keinerlei irgendwie geartete Verbindung zum entsprechenden Tier auf.
Welch Problematik die Benennung dieses kleinen Tieres mit sich bringt, erkannt man bereits daran, dass es in nahezu jeder Sprache der Welt einen komplett anderen Namen trägt: Schmetterling, Butterfly, Farfalla, Papillon, Psyche oder Rinshirui etwa. Die meisten Tiernamen sind da erheblich klangähnlicher.

Dass der deutsche Name vom alten Begriff "Schmetten" für Butter herrührt, weil einige "Falter" sich stets von Butter anlocken ließen, ist eine so profane Begründung, dass sie das gesamte Tier nahezu entzaubert.
(Gleichsam begründet ist damit die englische Bezeichnung "Butterfly", also Butterfliege(r).)

Doch nicht ganz! Denn viel zu sehr beschränkt sich die kindliche Neugier auf den Wortteil "Schmetter". Dabei regt der lingliche Schwanz des Tieres viel eher zum rätseln an.
Denn faszinierend ist der Begriff aus einem ganz anderen Grund: Weshalb ist es ein Schmetterling?

Linge sind in der Regel Anhängsel, um Personen eine Eigenschaft zuzuweisen. Der Feige ist ein Feigling, der Neue ein Neuling, der Schwache ein Schwächling und der Schöne ein Schönling.
Auffallend ist hier, dass Linge praktisch immer nur in eine Richtung existieren. Mutlinge, Altlinge, Starklinge und Hässlichlinge sucht man vergebens.

Weshalb aber Schmetterling, also "Butterling"? Es ist weder eine Person, noch ist Butter eine Eigenschaft. Eine Person die ganz und gar aus Butter bestünde, mag man ungestraft Butterling nennen. Doch einen winzigen Falter mit Rüssel?

Vielleicht rührt es an dem negativen Beigeschmack, der Lingen zu Eigen ist. Ein Ling wird nicht für voll genommen. Schön zu sein ist schön und gut, aber ein Schönling ist ungern gesehen. Selbst Feigheit mag ihre großen Momente haben, aber niemand ist gern ein Feigling.
Waren die kleinen Falter in alter Zeit eine solche Plage beim Buttermachen, haben sie sich wie Heuschreckenschwärme auf Tonnen von Butter gestürzt, die in deutschen Landen an offenen Fensterläden ruhten, dass man ihnen einfach das Ling an den Namen gehängt hat, um sie als die Plage zu brandmarken die sie waren?
Andererseits ist der Schmetterling beiweitem nicht die einzige Plage, aber nahezu der einzige Ling im deutschsprachigen Tierreich. Und Mäuse nennt man schließlich auch nicht Käsling.
Und was wäre das Gegenteil von Schmetter, mit dem man einen Ling kreieren könnte, der nicht existiert?

Wie man es auch wendet und dreht, die Faszination des Namens bleibt, und ergibt sich vielleicht weit weniger aus dem nur scheinbar rätselhaften Schmetter, als vielmehr aus dem wahrlich unergründlichen Ling, den dieses Tier mit sich führt. So oder so, das Rätsel bleibt bestehen: Weshalb heißt der "Schmetterling" Schmetterling?

Randbemerkung:
Natürlich besitzen Hunde, Pferde und Katzen so wenig Bezug zu ihrem Namen wie alle Tiere. Aber kindliche Logik scheint nicht gewillt, diese Namen irgendwie zu hinterfragen und stürzt sich ganz auf die Schmetterlinge, Maulwürfe und Tausendfüßler dieser Welt.

Freitag, 18. Juli 2008

Grübchen

Sie sehen: Das Grübchen

Diminutive, also Verniedlichungsformen, sind immer mit Vorsicht zu genießen.
Nicht selten entspringen sie einem Wort, dessen Ursinn eher negativer Art ist. Andernfalls hätte es wohl gar nicht erst einer Verniedlichung bedurft.

Märchen, Rädchen, Brötchen, Kaninchen...
Eine Mär war eine meist tragische Erzählung des Mittelalters, das Rad war eine populäre Methode der Todesfolter, Brot macht dick und Kaninchen - nun, das Kanin muss ein gar furchtbares Lebewesen sein, dass niemand es wagt, darüber zu sprechen.

Und Gruben waren niemals ein Ort positiver Ereignisse. In Gruben wurde man versenkt, verschüttet, arbeitslos, oder musste sich in Kinderspielchen als Häschen darin verstecken.

Dennoch haftet dem Grübchen, jener seltsamen Wortschöpfung, allein positives an. Grübchen sind das Körperpendant zu Parfait: Jeder mag sie. Manche Grübchen werden legendär, etwa Roy Blacks Kinnspalter.
Gesichtsgrübchen, die wohl auffälligsten Vertreter der Spezies, verleihen jedem Lächeln den Sahneguss. Gäbe es Wettbewerbe um das schönste Lächeln, der Gewinner würde grundsätzlich zwischen zwei Grübchen erstrahlen.
Und Lendengrübchen, jene klassischen und zeitlosen Symbole weiblicher Sinnlichkeit, die mehr Maler inspiriert haben als alle Blumenwiesen dieser Welt - ihr Anblick allein ist anregender und beflügelnder als jedes Aphrodisiakum.

Doch was für ein Wort ist das? "Grübchen"?
Wie klein muss eine Grube sein, dass "Grübchen" gerechtfertigt ist? Und sind Grübchen überhaupt Gruben? Zeichnen sich Gruben nicht eher durch Tiefe aus? Durch scharf absinkende Wände? Sind Grübchen nicht eher winzige Kuhlen? Kleine Mulden?
Aber wie unsanft klängen "Kühlchen" oder "Muldchen". Viel zu nah lägen sie an "Kühchen", "Küchen", an "Muttchen" oder "Molche".
Kehlig und aus dem hintersten Rachen tröffe das Kuhlchen heraus, unsanft, unromantisch, eher an Würgelaute und Gurgeln erinnernd. Und wie scharf und spitz stieße das "Muldchen" heraus, mit seinem spitzen 'D' und dem 'Ch', das hier nahezu zum scharfen 'Sch' würde.
Kuhlchen und Muldchen wären eher Namen für die bösen Zwerge im Märchen, die Diebe im Astrid Lindgren Roman oder magische Waffen einer Rittergeschichte.

Doch Grübchen steht allein. Keine ungewollte Assoziation stört das Bild. Sein reiner Klang, vom sanften, gehauchten 'G' über das rollende 'R', zum weichen 'B' und in einem sanften Bogen das 'chen' hinabsinkend führt es uns in eine Welt der Schönheit, der Weichheit, der Güte und Sinnlichkeit.
Das Grübchen steht sanft und zahm im Wald der Sprache, sein Umlaut lässt es glitzernd und funkelnd erstrahlen in jedem Text, lässt seinen Wohlklang über uns sinken und Bilder von schön lächelnden Menschen und weiblichen Aktportraits emporkommen.
Nichts hat es mehr vom scharfen Klang und finsteren Bild der Grube, der es entspringt.

Das Grübchen feiert seinen Triumph im Diminutiv. Indem es dem garstigen Wort der Grube Anmut, Stil und Reiz verleiht, sie, hässlich und missmutig, überflügelt und einzigartig, eigenständig wird. Ein seltsames, schönes Wort ist das Grübchen, dessen Herkunft hinter ihm selbst verborgen liegt, und verborgen bleibt.

Menschen wären weniger schön ohne Grübchen, und die Sprache weniger rein, weniger anmutig ohne dieses seltsame Wort, das soviele Bilder in uns weckt, und doch so gar nicht zum Rest der Sprache zu passen scheint, weil seine Wurzel, die es offen in sich trägt, für uns unsichtbar geworden ist im Laufe der Zeit.

Randbemerkung:
Natürlich existiert kein Kanin. Aber Kaninchen, das an sich gar kein richtiger Diminutiv ist, leitet sich vom lateinischen Wort für Höhle oder Gang ab. Und wie finster ist dies erst?